In der ersten Folge einer neuen Serie blickt Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer auf die Grossen Preise von Bahrain und Saudi-Arabien zurück und erörtert den Einfluss von Drive to Survive auf den Sport.

Während der Trainings in Bahrain zu Beginn der Saison haben wir uns darauf konzentriert, die Erkenntnisse mit dem A523 zu maximieren, nicht nur für das bevorstehende Rennen in Sachir, sondern auch für andere bald anstehende Rennen.


Deshalb sind wir nicht wirklich so gefahren, dass wir Leistung mit weichsten Reifenmischungen und wenig Benzinverbrauch ausgenutzt haben. Daher konnten wir bis zum Rennwochenende nicht wirklich wissen, wo wir in der Hierarchie stehen.


Esteban qualifizierte sich als Neunter, während Pierre ein Problem hatte und bereits im Q1 ausschied. Das ist nicht wirklich repräsentativ für seine Pace noch für das Auto. Er war nicht auf seiner normalen Position in der Startaufstellung, was für ihn etwas anders war.


Im Rennen konnte Pierre sich aber vorkämpfen und schaffte es vom letzten Platz in die Punkte. Er wurde Neunter und lag im Ziel etwa eine Sekunde hinter Valtteri Bottas. Gleichzeitig hatte Esteban mit einer Reihe von Fehlern zu kämpfen, von denen einige in seiner Verantwortung andere in der des Rennstalls lagen. Ich denke, es begann bei ihm, dann ging es vom Team aus und dann wieder von ihm! Eigentlich alles operative Fehler, die leicht zu korrigieren waren und nie hätten passieren dürfen. Aber es ist passiert und hat seine Bemühungen zunichte gemacht.


Wir wissen genau, was während des Stopps seiner Strafe schief gelaufen ist. Es fehlten vier Zehntelsekunden und wir haben unser Verfahren geändert, damit dies nicht mehr vorkommt.


Diese Strafe für eine falsche Startposition war jedoch frustrierend. Wenn in der Vergangenheit derartige Regeländerungen eingeführt wurden, gab es einen gewissen Spielraum, um sich daran zu gewöhnen und zu verstehen, ob die neuen Vorschriften gut genug waren, um zu überdauern.


Dies geschah nun in zwei aufeinanderfolgenden Rennen, da Fernando in Dschidda auch bestraft wurde. Tatsächlich ist es mehr als zwei Fahrern passiert, aber nur zwei wurden bestraft. Nun wird darüber gesprochen, die Abstände der Startpositionen zu vergrössern, um zukünftige Strafen zu vermeiden.


In Dschidda haben wir – wie alle anderen auch – einen Heckflügel mit geringem Luftwiderstand mitgebracht. Im Nachhinein bin ich mir aber nicht sicher, ob der Luftwiderstand zu 100 % korrekt war. Wir waren nicht weit weg, aber ich denke, es hätte noch weniger sein können. Deshalb waren wir weniger leistungsfähig als wir es hätten sein können.


Wir waren im ersten Sektor, der viel Bodenhaftung erforderte, wirklich gut, aber nicht im zweiten Sektor, der weniger Luftwiderstand erforderte. Eine bessere Balance hätte uns ein wenig besser machen können, aber wir lernen daraus und werden bei den kommenden Rennen und nächstes Jahr in Dschidda besser sein.


Esteban und Pierre qualifizierten sich als Siebter und Zehnter. Pierre war mit dem Auto in dritten freien Training zufriedener als im Qualifying und bei Esteban war es genau umgekehrt.


Das optimale Nutzungsfenster ist vielleicht sehr eng. Wenn das der Fall ist, braucht es etwas Zeit, um die Grenzen zu erkennen und zu lernen, was wir tun müssen, damit wir das Auto richtig anpassen können, wenn sich die Streckenbedingungen zwischen dem dritten freien Training und dem Qualifying ändern, damit alles klappt. Dieses Fenster kann durch wechselnde Bedingungen beeinflusst werden, und dies erfordert Zeit, wenn der Bolide empfindlich darauf reagiert.


Wir werden es schaffen. Je mehr wir mit dem Auto fahren, desto besser lernen wir es kennen und desto einfacher wird es, den Idealpunkt zu finden. Und dann können wir uns danach richten.


Esteban und Pierre sind Achter und Neunter geworden. Die beiden Ferrari lagen vor uns und ich war dafür, alles zu geben, um mit ihnen zu kämpfen. Wie wir waren sie gegen Ende ziemlich zurückhaltend und hätten auch angegriffen, wenn wir die Pace erhöht hätten.


Wir lagen wahrscheinlich drei bis vier Zehntelsekunden pro Runde im Rennen und zwei bis drei Zehntelsekunden im Qualifying auseinander.


Wir müssen sie einfach im Rennen um die Entwicklungen schlagen, um die Leistung unserer Autos schneller zu steigern, als sie es können. Das wird dieses Jahr das Schlüsselelement. Wir lassen uns nicht unterkriegen und arbeiten daran, unsere Ziele zu erreichen.


Pierre hat sich bei Alpine gut eingelebt und ist mit seinem Ingenieurteam und der Art und Weise, wie das Team mit ihm umgeht, zufrieden. Ich mag ihn. Dieser junge Mann ist mit beiden Füssen am Boden und kann sehr schnell sein.


Das Einleben eines Fahrers in ein neues Team geht nicht immer von selbst, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben. Man muss das Ingenieurteam, die Änderungen am Rennwagen und deren Auswirkungen auf die Balance verstehen. Und das ist in jedem Team anders.


Daher kann es etwas Zeit, vielleicht noch ein, zwei Rennen dauern, bis er das das Auto voll auszunutzen weiss. Ich habe mit ihm darüber geredet und er hat gesagt: «Zwei, drei Zehntel liegen an mir.»

Wenn er Recht hat und zwei oder drei Zehntel an ihm liegen, müssen wir einen Entwicklungsplan aufstellen, der zwei oder drei Zehntel mehr Geschwindigkeit als die anderen bringt und dies schneller als sie in unser Auto einbauen.


Dann kämpfen wir mit jenen, die derzeit in der Rennpace direkt vor uns liegen.


Aber das ist immer leichter gesagt als getan. Es erfordert viel Arbeit und Einsatz des Teams und genau darauf legen wir unseren Fokus. Für Baku haben wir Veränderungen vorgesehen, weitere für Miami und freuen uns daher sehr auf diese Rennen.


Wir stellen weiterhin hochqualifizierte Mitarbeiter ein, die unsere Ideen teilen, um sie zu den Talenten in Enstone hinzuzufügen. Wir befinden uns in einer gross angelegten Rekrutierungskampagne und suchen ca. 50 Leute. Für mich ist Stabilität sehr wichtig. Deshalb spreche ich davon, Talente in Bereiche zu bringen, in denen wir denken, mehr verstehen zu müssen.


Viele Leute haben mich überdies nach meiner Meinung zu Drive to Survive gefragt. Grundsätzlich denke ich, dass es der Serie gelungen ist, neue Fans für unseren wunderbaren Sport zu gewinnen. Die Welt hat uns kennengelernt. Unser Sport war schon immer faszinierend. Ich möchte damit nicht sagen, dass er ein gut gehütetes Geheimnis war, aber er war sicherlich nicht so medienwirksam wie es Drive to Survive heute zeigte. Daher denke ich, es war gut.


Mein Hund Bear ist nun dank Drive to Survive berühmt geworden. Ich habe den Eindruck, dass ihm das Berühmtsein besser liegt als mir …


ENDE